Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021)
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
Nahezu zwanzig Mal haben wir im Bundestag in den letzten anderthalb Jahren Änderungen am Infektionsschutzgesetz vorgenommen. Mit keinem anderen Gesetz hat sich unser Parlament so oft in so kurzer Zeit beschäftigt, wie mit diesem.
Die Hektik, mit der wir in nahezu jeder Sitzungswoche das Infektionsschutzgesetz weiter ausweiten, um vermeintlich Schlimmeres zu verhindern, kann ich immer weniger nachvollziehen. Die scheinbare Panik, mit der wir in immer kürzer werdenden Abständen das Infektionsschutzgesetz ändern, ist außerhalb des Berliner Regierungsviertels kaum zu spüren. Zum Glück.
Im Januar 2021 waren deutschlandweit rund 5.500 Menschen mit Covid im Krankenhaus in Behandlung. Selbst der Gesundheitsminister betont, dass das Gesundheitssystem zu keiner Zeit vor einem Kollaps stand. Dies belegen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamts sehr eindrücklich: Auf dem Höhepunkt der zweiten und dritten Welle waren mindestens 2.700 Intensivbetten frei. Hinzu kommen circa 10.000 Intensivbetten als Notfallreserve, die über den ganzen Zeitraum seit ihrer Einrichtung nicht genutzt werden mussten.
Zur Zeit liegen 1.316 Menschen mit Corona auf der Intensivstation und 17.616 Intensivpatienten ohne Corona. Diese Zahlen belegen, dass unsere Krankenhäuser in keiner Weise besonders belastet sind, deshalb war es überhaupt erst möglich selbst im Coronajahr die Zahl der Krankenhausbetten weiter zu reduzieren, ohne dass es zu einer Notlage gekommen ist.
In Brandenburg sind nur 1,98% der zur Verfügung stehenden Intensivbetten von Coronapatienten belegt (die Reservebetten sind nicht eingerechnet). Hier von einer bevorstehenden schweren Belastungsprobe für die Kliniken zu sprechen ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wir haben unseren Bürgern im letzten Jahr viel abverlangt. Mit den Folgen der Coronapandemie werden wir uns noch viele Jahre lang beschäftigen müssen. Als Bundestagsabgeordnete ist es meines Erachtens nach zum Ende der 19. Wahlperiode nun auch an der Zeit, über das eigene Handeln zu reflektieren und das Geschehene Revue passieren zu lassen.
Wie oft haben wir versprochen, dass die Beschränkungen ein Ende haben? Wie oft haben wir das Einführen harter Maßnahmen, von „Wellenbrechern“, „Lockdown lights“ und „Notbremsen“, damit gerechtfertigt das danach zur Normalität zurückgekehrt werden kann? Wir haben versprochen, dass es keine Impfplicht geben wird. Wir haben versprochen, dass Kinder wieder ohne Maske in die Schule gehen können. Wir haben nichts davon gehalten.
Seit vier Wochen gehen die Kinder in Brandenburg nun wieder zur Schule. Den Eltern wurde versprochen, dass die Maskenpflicht in der Schule und im Unterricht nur noch in den ersten beiden Wochen bestehen soll. Vorsichtshalber. Die Maskenpflicht gilt bis heute.
Das RKI teilte mit, dass seit Beginn der Pandemie 23 Kinder unter 20 Jahren coronapositiv gestorben sind, davon hatten 16 bekannte Vorerkrankungen. Es sind unbenommen schlimme tragische Fälle, wie es für jeden Todesfall bei Kindern gilt. Ich betone, dass jeder einzelne ein tragischer und schmerzlicher Fall ist, aber eben auch ein Einzelfall. Ich will damit sagen, dass wir bei unserer Arbeit die Verhältnismäßigkeit fast völlig außer Acht gelassen haben, auch vor dem Hintergrund, dass zehnmal mehr Kinder bei Autounfällen sterben und auch andere Erkrankungen führen bei Kindern zu wesentlich mehr Todesfällen. Allein im Jahr 2019 starben an Krebs und anderen Neubildungen 80 (!) Kinder bevor sie fünf Jahre alt werden konnten.
Vor diesen Hintergrund und als Ergebnis meiner eigenen Bewertungen kann ich diese erneute Änderung nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und werde deshalb der Änderung des Infektionsschutzgesetzes nicht zustimmen.
Dr. Saskia Ludwig MdB
Neueste Kommentare